Nanni Balestrini: Wer das hir liest braucht sich vor nichts mehr zu fürchten
Seit den 1950er-Jahren ist Nanni Balestrini (*1935, Mailand) eine der bedeutendsten Figuren der italienischen Kultur: als Dichter, Romanschriftsteller und Verlagslektor sowie als bildender Künstler. Das ZKM widmet Balestrini, der in Deutschland vor allem als Autor politscher Romane bekannt ist, erstmals eine Ausstellung, die einen umfassenden Einblick in sein visuellpoetisches Oeuvre gibt. Collagen und Cut-Ups aus Bildern, Texten und Filmsequenzen zeigen ein Lebenswerk, das sich gegen die „Trägheit der Sprache“ wandte und damit gegen die Erstarrung des Denkens und Handelns. Nanni Balestrini: Wer das hir liest braucht sich vor nichts mehr zu fürchten bildet mit zwei weiteren Retrospektiven von Gerhard Rühm und Hansjörg Mayer den Auftakt der ZKM-Ausstellungsreihe Poetische Expansionen, die im Sommer mit Reinhard Döhl, Helmut Heißenbüttel und Konrad Balder Schäuffelen fortgesetzt wird.
Nanni Balestrini ist einer der wichtigsten Vertreter der italienischen Nachkriegsavantgarde. Als Künstler und Verlagslektor und -berater, als Zeitschriftengründer und Organisator von Festivals nahm er in der Entstehung und Durchsetzung der literarischen Neoavantgarde eine Schlüsselrolle ein. Seine ersten Gedichte erschienen 1956 in Documenti d’arte d’oggi, der Zeitschrift des Movimento Arte Concreta (MAC) und der Groupe Espace. Als Lektor wurde Balestrini zunächst für die von Luciano Anceschi 1956 gegründete Literaturzeitschrift Il verri tätig, zu deren Autoren auch Umberto Eco und Alain Robbe-Grillet zählten. 1961 wechselte er ins Verlagshaus von Giangiacomo Feltrinelli. Im gleichen Jahr präsentierte er seine visuellen Collagen erstmals der Öffentlichkeit und trat als einer der Mitverfasser der literarischen Anthologie I Novissimi hervor. 1963 rief er mit einer Reihe von Autoren die Gruppo 63 ins Leben, ein Kreis von Schriftstellern, die sich – inspiriert von Autoren wie Ezra Pound und T.S. Elliot – durch formale und inhaltliche Sprachexperimente gegen den italienischen Neorealismus abgrenzte. Einem größeren Publikum wurde Balestrini durch seinen Roman Vogliamo tutto [Wir wollen alles] (1971) bekannt, mit dem er den Kämpfen der italienischen Arbeiter ein literarisches Denkmal setzte. Balestrini, er 1961 seinen Lebensmittelpunkt von Mailand nach Rom verlegte, ging 1979 in Folge seines linken politischen Engagements ins Exil nach Frankreich. Seit 1985 lebt und arbeitet er in Rom, Mailand und Paris.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen